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Vor einigen Jahren wartete ich am Paradeplatz auf mein Tram der Linie 13, um meinen Kollegen abzulösen. Ich nutze die Zeit des Wartens mit dem Beobachten der Menschen und der Umgebung, als mir an der Unterseite des Daches vom zentralen Häuschen ein kleines Metallschild auffiel, beschriftet mit „Assciation des Maîtres de Rien“ und „Le Rien en Or“. Ich konnte nichts mit alledem anfangen, jedoch erinnerte ich mich daran, dass an einem Tram der Serie 2000 eine goldene Platte befestigt war und dieses Tram an der Frontseite immer eine Tafel montiert hatte, auf welcher ebenso das Logo der „Association des Maîtres de Rien“ aufgedruckt war. Irgendwie mussten diese Dinge zusammen hängen, also forschte ich eine kurze Zeit im Netz der Netze und stolperte zu meinem Erstaunen über das Gesamtkunstwerk „Le Rien en Or“, erschaffen von dem 1945 in Zürich geborenen Künstler, Schriftsteller und Multitalent Dieter Meier, international besser bekannt als einer der zwei Köpfe hinter der Musikergruppe mit Namen „Yello“ (und von denen besitze ich sehr viele Titel, ich bin nicht auf Rammstein fixiert!). Im Jahr 2008 hatte eben jener Dieter Meier als Präsident der „Association de Maîtres de Rien“ („Vereinigung der Meister des Nichts“) das Gesamtkunstwerk „Le Rien en Or“ („Das Nichts in Gold“) erschaffen, in welchem zahlreiche Objekte mit Blattgold belegt wurden, elf Objekte im öffentlichen Raum, weitere in Galerien oder anderen Gebäuden. Immer mal wieder hatte ich mir vorgenommen, diese Objekte im öffentlichen Raum zu finden und abzulichten, leider bin ich erst jetzt dazu gekommen. Wieso leider? Von den elf Objekten, die im Grossraum um die Zürcher Bahnhofstrasse verteilt waren, sind – sehr wahrscheinlich – nur noch sechs übrig geblieben, die anderen dürften der Neugestaltung der Bahnhofstrasse von 2013 bis 2014, sowie der Instandhaltung der Trägerobjekte zum Opfer gefallen sein (ich wundere mich immer noch so manches Mal über den Umgang der Stadt Zürich mit Kunst…). Das spezielle Tram gibt es auch nicht mehr (also lediglich die Kunst-Installation), als städtischer Betrieb haben die VBZ auch dieses fahrende Teilstück des Gesamtkunstwerkes bei der letzten Revision entfernt…
Kernstück dieses Kunstwerkes ist die „Boule d’Or Centenaire“ („Goldene Jahrhundertkugel“). Jeder, der den Hauptbahnhof Zürich frequentiert, ist schon an jenem Ding vorbei gekommen, aber selbst ich, der doch von sich behaupten möchte, er gehe mit sehr offenen Augen durch die Welt, habe sie heute zum ersten Male bewusst wahr genommen, da dankenswerter Weise die so schöne und riesige Bahnhofshalle derzeit aufgrund der Pandemie nicht für Weihnachtsmärkte und ähnlich grobem Unfug genutzt werden darf. Sie ist im Eingangsbereich des Hauptportals in den Boden eingelassen und von einer starken Scheibe geschützt. Im Verlauf von einhundert Jahren soll sie insgesamt acht mal da heraus geholt werden, nur um auf eine hölzerne Rollbahn gelegt zu werden und jene herunter zu rollen. Was für einen Sinn hat das? Eben: Keinen. Und das auch noch vergoldet. Das ist Kunst, genauer: Dadaismus, eine Kunstform, der sich Dieter Meier irgendwie verschrieben zu haben scheint. Das nächste Mal – und ich hoffe, ich erlebe jenen Moment – soll diese Kugel am 28. August 2033 jene Bahn herab rollen, das letzte Mal am 9. Mai 2108, danach wird sie dem Landesmuseum als Exponat übergeben.
In der Karte am Kopf dieses Beitrages finden Sie die Orte der vergoldeten Objekte, die ich gefunden habe. Das soll aber nicht bedeuten, dass ich wirklich alle verbliebenen Objekte gefunden habe! Bedauerlicher Weise gibt es kein Verzeichnis über die Lageorte jenes Gesamtkunstwerkes, lediglich eine recht ungenaue Landkartenabbildung stand mir bei meiner Suche zur Verfügung, nicht einmal die Stadtschreiberin der Stadt Zürich konnte mir weiter helfen (ehrlich gesagt erschien sie mir genau so überrascht, als ich ihr von jenem Gesamtkunstwerk berichtete, wie die sehr freundlichen Stadtpolizistinnen und -polizisten, die an jenem Tag den Wahlvorgang im Stadthaus „pandemiekonform“ überwachten). Aber das liegt wohl kaum an ihrem Desinteresse, selbst die wenigen verbliebenen Objekte muss man regelrecht im Stadtbild suchen. Die in der Karte oben verzeichneten Punkte, die mit einem Fragezeichen markiert sind, bedeuten Objekte, die wahrscheinlich (…) nicht mehr vorhanden sind. Dabei sei angemerkt, dass es mir weder möglich war, den genauen Standort abzubilden, noch die Art des ehemals vergoldeten Objektes. Zu ihnen gehörten Schachtdeckel, Abflussleitungen, Brückengeländer, Rückseiten von Strassenschildern und technische Informationstafeln. Aber vielleicht machen Sie sich selbst auf die Suche? Sollten Sie an einem jener mit einem Fragezeichen markierten Orte einen Hinweis auf die Meister des vergoldeten Nichts finden, dann nehmen Sie doch bitte Kontakt zu mir auf (ich möchte Herrn Meier aus blankem Respekt ob seines Lebenswerkes nicht direkt kontaktieren). Und wenn Sie schon auf dieser doch etwas ungewöhnlichen Stadtrundfahrt unterwegs sind, dann empfehle ich Ihnen wärmstens den Besuch der Chocolaterie von Herrn Meier (https://www.chocolatdietermeier.com), im Herzen von Zürich gelegen, „Wühre 15“. Ich sage Ihnen: Sollten Sie geglaubt haben, dass die Produkte von den namhaften Schweizer Herstellern die Krönung jener (Ur-)Sünde sein sollten, dann werden Sie hier eines Besseren belehrt. Das ist Schokolade, die Sie noch nie zuvor haben geniessen dürfen!
