Capella Santa Maria degli Angeli

Es gibt nicht viele Orte auf dieser Welt – so weit ich diese bisher entdecken durfte – , die die „religiöse“ Ader in mir (oder was von dieser überhaupt noch übrig geblieben ist) derart angesprochen haben, wie die Capella Santa Maria degli Angeli. Von dem Tag an, an welchem ich jenes Bauwerk durch Zufall im Internet entdeckte war für mich klar, dass ich unbedingt irgendwann einmal hierher musste, um dieses Meisterwerk mit eigenen Augen zu sehen. Ich gehe hier bewusst nicht darauf ein, was ich unter „Religion“ oder „Religiösität“ verstehe, wie ich dazu gekommen bin, was aus dem im Laufe vieler Jahre geworden ist, aber ganz ohne geht es nun einmal auch nicht, jene „christliche“ Religion. Aber dazu später mehr.

Wenn es um die Begrifflichkeit „Architektur“ geht, dann fallen weltweit (!) immer wieder zwei Namen, die eng mit der Schweiz verbunden sind: „Herzog & de Meuron“ und „Mario Botta„. Letzterer hat eben jene Kapelle unweit von Locarno zwischen 1992 und 1996 auf dem Monte Tamaro erbaut. Ich möchte mich hier nicht eingehender mit diesen Namen befassen, nicht näher beschreiben, wer wann was gebaut hat, warum, wieso etc. ppp., das möge bitte jede Leserin oder jeder Leser bei Bedarf selbst erforschen. Aber ich möchte die Gelegenheit nutzen und darauf hinweisen, dass Mario Botta – im Gegensatz zu Herzog & de Meuron – sich weitaus mehr mit einer Form der Architektur befasst zu haben scheint, die über den blanken Nutzen eines Gebäudes hinaus geht, Herr Botta scheint eine weitaus tiefere Verbundenheit zur Schweiz, zu Religion und anderen Themen zu haben, als jenes andere Büro. Ein Beispiel hierfür ist jene Kapelle, die auf 1530 Metern über dem Meeresspiegel aus Beton und dem rötlichen Porphyr-Gestein erbaut wurde.

Man erreicht jene Kapelle entweder per Seilbahn von Rivera-Bironico oder aber zu Fuss. Der Fussweg ab Rivera-Bironico ist als anspruchsvoller Wanderweg ausgewiesen, 4 1/2 Stunden werden dafür veranschlagt. In eine Richtung: Bergauf! Wesentlich angenehmer ist da die Fahrt mit der Seilbahn… Man landet auf der „Alpe Foppa“, bereits ab Bergstation dreht sich hier alles um Tourismus, alpines Mountainbiking, „Erlebnispark“ und noch so manch anderen Blödsinn. Die Kapelle (und der „Kunstwanderweg“, der sich hier herauf und noch weiter rauf schlängelt) stehen in einem sehr starken Kontrast zu dem offensichtlich unverzichtbar notwendigen Tourismusprogramm, welches bereits im Tal mit einem „Erlebnisbad“ beginnt, die Kapelle will so gar nicht zu dem passen, was in unmittelbarer Nähe um selbige herum noch so statt findet. Gewöhnen Sie sich im Vorfeld bereits daran und blenden Sie gewisse Begleiterscheinungen jener Industrie so gut es geht aus. Lassen Sie die – im wahrsten Sinne des Wortes! – sehr weitsichtige Architektur auf sich wirken! Sollten Sie sich selbst irgendwie nicht näher definierbar „klein“ oder gar „unwichtig“, aber dennoch „wohl behütet“ vorkommen, dann hat dieses architektonische Meisterwerk von Mario Botta genau das erreicht, was es erreichen wollte. Glaube ich zumindest. So viel zum Thema „Religion“. Meinetwegen auch „Ehrfurcht“.