- Weihnachtliches Basel
- Messe-Areal
- Kleine Neujahrsstreunerei
- Basler Fasnacht
- Am Rhein entlang
- Botanischer Garten Basel
- Naturschutzgebiet Wiesenmatt
- Stadt Bligg – Basel im Kaleidoskop
- Badischer Bahnhof
- Dreiländereck
- Stadtkommando Basel
- „Wenn Steine sprechen“ – Ein Rundgang
- Kannenfeldpark
- Basels „Mobiliar“ – Eine Rundfahrt
- Wenkenhof
- Sportplatz Landhof
- Gartenstadt „Im Vogelsang“

Wie in jeder anderen Nation auf dieser Welt gibt es auch in der Schweiz Grenzen, die auf keiner Landeskarte verzeichnet sind, Grenzen, die stark emotionaler Natur sind. Jenseits der Grenzen der Schweiz zur umgebenden Europäischen Union dürfte ab und an der Begriff „Röstigraben“ bekannt sein, die sprachliche und kulturelle Grenze zwischen der deutsch- und der französischsprachigen Bevölkerung der Schweiz. Aber da gibt es noch weitaus mehr Grenzen in jenem kleinen Land im Herzen Europas! Die Fussballer-Grenze zwischen dem FC Basel und dem FC Zürich und dem Grasshoppers Club Zürich, die religiösen Grenzen zwischen den mehrheitlich katholischen und den mehrheitlich protestantischen Kantonen, die mehrheitlich linken und die mehrheitlich konservativen Kantone, die Nehmer- und die Geber-Kantone – die Liste ist unglaublich lang. Dennoch funktioniert das System „Schweiz“ meines Erachtens nach trotz aller vorhandener Diversität weitaus besser, als es mir aus meiner Heimat bekannt ist. Das liegt unter anderem daran, dass dieses Land einige Persönlichkeiten hervor gebracht hat, die sich um genau jene Grenzen wenig geschert haben, jene nicht kultiviert, sondern bewusst überwunden haben. Einer dieser Menschen ist der Architekt und Stadtplaner Hans Bernoulli. Er hat nicht nur in Zürich mit den „Bernoulli-Häusern„, sondern auch mit der „Gartenstadt Im Vogelsang“ bewusst eine Gleichheit zwischen Menschen geschaffen, die es in jedem Kanton seinerzeit gab: Den Arbeitern.
Bis zu einem gewissen Grad war Bernoulli ein Vorreiter auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaus. Als überzeugter Sozialist war er der Auffassung, dass Arbeiter ein Anrecht auf eine angemessene Behausung haben sollten. Sollte der Boden, auf welchem ein Gebäude errichtet werden sollte, nachwievor dem Staat gehören, so sollte das Bauwerk an sich demjenigen gehören, der darin leben sollte oder wollte. Ein Arbeiter sollte die Möglichkeit zur Erholung von der zuweilen harten körperlichen Arbeit haben, aber auch für seine eigene Ernährung sorgen können. Sowohl die Gartenstadt im Vogelsang (um 1925 errichtet), als auch die Bernoulli-Häuser in Zürich (von 1924 bis 1929 errichtet), sowie einige andere Genossenschaftsbauten vorwiegend in Basel errichtet, weisen den typischen Charakter solcher auf die Arbeiterschaft zugeschnittenen Bauten auf: Ein ebenerdiges Wohngeschoss, meist um die 60 bis 80 Quadratmeter Wohnfläche aufweisend, ein als Lagerraum konzipiertes Dachgeschoss, einen kleinen Kellerraum zum langfristigen Einlagern von Lebensmitteln, sowie eine Gartenfläche, hauptsächlich zum Anbau von Nutzpflanzen gedacht. Dieses grundlegende Prinzip findet sich vielfach in Europa, besonders präsent aber ist es vor allem in der Kohle-Region von England, dem so genannten „Black Country“ bei Birmingham in den „West Midlands“. Bernoullis Prinzip war somit nicht grundlegend neu, aber ausserhalb der Grenzen von England war er einer der ersten, die dieses Prinzip auf dem europäischen Festland konsequent umsetzten.
Ursprünglich war die Gartenstadt Im Vogelsang relativ weit von den Stadtgrenzen Basels entfernt, sie war zu dem Zeitpunkt, als sie errichtet wurde, von Feldern umgeben. Anfänglich muss diese Siedlung ein erbärmliches Bild abgegeben haben. Die Arbeiter, die hier zuerst mit ihren oft kinderreichen Familien lebten, scherten sich nachvollziehbarer Weise weniger um Erholung, als vielmehr um Überleben und Lebenserhalt. Das, was heute wirklich mit grosszügig und sehr farbenfrohen Gärten gesegnet ist, muss eine ganze Zeit lang ein ziemliches Drecksloch gewesen sein, anstatt Nutzpflanzen anzubauen, verwendeten viele Anwohner ihre Gärten als Vieh-Haltungsfläche, entsprechend armselig und erbärmlich musste der Anblick dieser Siedlung einst gewesen sein. Ab und an kann man auch für diese Siedlung die Bezeichnung „Auf dem Gottserbarm“ hören oder lesen. Das hat aber nichts mit dem einstmals reichlich unsozialistischem und von Bernoulli sicherlich nicht einkalkuliertem Erscheinungsbild jener Siedlung zu tun! In dieser Region stand einst der Galgen der Gemeinde Riehen, hier wurden einst Verbrecher hingerichtet und verscharrt, „erbärmlich beerdigt“.
So visionär und letztlich auch vernünftig Bernoullis planerische Ansätze gewesen sein mögen, so traten sie zu einer Zeit auf, als gewisse gesellschaftliche Kreise nicht Willens waren, diese zu akzeptieren. Als bekennender Sozialist war Bernoulli, der unter anderem auch in meiner Geburtsstadt Berlin einige Projekte verwirklichte, nicht nur eine Zeit lang Mitglied des Nationalrates der Schweiz, sondern auch Dozent an der Universität von Zürich. Diesen Posten sollte er nicht lange behalten, seine politische Haltung sollte Grund für die relativ schnelle Beendigung seiner Tätigkeit an der Universität werden. Heute ist nicht mehr viel von Bernoullis Ansatz übrig geblieben: Klassische Arbeiter leben hier nicht. Wer heute hier eine Bleibe finden will, der muss einige Vorraussetzungen erfüllen. Abgesehen davon, dass die Genossenschaft darüber befindet, ob ein jeweiliger Bewerber genehm ist, so muss jener Bewerber mindestens zwei Kinder haben, wovon eines noch nicht zur Schule geht. Auch sollte man eine Bleibe in jener Gartenstadt nicht als Altersabsicherung betrachten, in jener Siedlung langjährig verankerte Menschen, die zu Witwen oder Witwern geworden sind, haben keinen Anspruch darauf, bis zu ihrem Lebensende bleiben zu dürfen. Dennoch sind Wohnungen in jener Gartenstadt immer noch sehr beliebt, gesucht und umkämpft.
