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Otto Dix… Zu diesem Maler habe ich eine besondere Beziehung. Soweit ich mich entsinnen kann, fand 1981 – zu jenem Zeitpunkt war ich also gerade einmal 13 Jahre alt – in Berlin eine viel diskutierte Ausstellung im Martin-Gropius-Bau statt: „Preussen – Der Versuch einer Bilanz„. Mein Vater und ich besuchten jene Ausstellung. Entweder, er hatte zuvor mein Interesse an „jüngerer“ deutscher Geschichte bemerkt oder aber er wollte es mit jenem Besuch wecken, so genau kann ich mich dann leider doch nicht mehr entsinnen. Ich kann mich auch nicht mehr entsinnen, ob damals Werke von Otto Dix in jener Ausstellung zu sehen waren oder ob mein Vater – wie so manches Mal nach Besuch einer Ausstellung – mir im Anschluss die wohl bekanntesten Bilder jenes Malers in einem Kunstband zeigte und den Zusammenhang zu Preussen erklärte. Jedoch – und dafür bin ich meinem Vater unendlich dankbar, dass er mir die Bilder damals zeigte und erklärte – blieben mir die Bilder von Otto Dix von jenem Zeitpunkt an in dauerhafter Erinnerung: „Bildnis der Tänzerin Anita Berber„, „Sonnenaufgang„, „Flandern„. „Die Skatspieler“ und natürlich „Die sieben Todsünden“ und einige andere. Otto Dix war ein Beobachter seiner Zeit, der den Zerfall Preussens mit Ende des Ersten Weltkrieges dokumentierte, das Erwachen der von Anfang bis Ende höchst instabilen Weimarer Republik miterlebte und unter der Herrschaft des Dritten Reiches als „entartet“ eingestuft wurde – und dennoch nicht aufhörte, zu malen. Angesichts der Entwicklungen, die sich derzeit in meinem Geburtsland Deutschland abspielen, halte ich die Werke von Otto Dix nicht für Malereien aus dunkler Vergangenheit, für mich sind sie – insbesondere in Bezug auf die vorweg genannten Werke – aktueller, als jede Fotografie, Studie, oder Dokumentation es derzeit beschreiben könnte, wie sich die Politik und Gesellschaft in Deutschland innerhalb der letzten zehn bis zwanzig Jahre verändert hat. Gewisse Mechanismen wiederholen sich. Otto Dix hat das bereits vor vielen Jahren im Bild fest gehalten. Aber die Bilder, die derzeit im Bündner Kunstmuseum Chur gezeigt werden, waren mir vollkommen unbekannt. Die Werke, die ich bis zum Besuch jener Ausstellung kannte, sind nicht „schön“ (und trotzdem würde ich sie mir sofort an die Wand hängen!), die, die aber in jener Ausstellung derzeit zu sehen sind, erwecken den Anschein, als seien sie schön (im Sinne von „dekorativ“). Sie sind es aber nicht – wenn man über den Tellerrand hinaus schaut und die Zusammenhänge zwischen Darstellung, gewähltem Titel und der Lebenssituation von Otto Dix zu dem Zeitpunkt, als er jene Bilder malte, versteht.
Mit Beginn seiner Isolation als „entarteter Künstler“ durch die Nazis wandelt sich sein Malstil grundlegend. Den bitterbösen Bildern aus der Nachkriegszeit folgen Landschaftsdarstellungen aus der Schweiz, die vorwiegend in den dreissiger Jahren im Engadin und in der Nähe des Säntis entstehen. Bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges war es Dix noch möglich, in jene Regionen zu reisen, ein paar wenige Ausstellungen unter anderem in Zürich verhelfen seiner Sichtweise und Kunst zu einem Fortbestand seiner Schaffenskraft, während gleichzeitig im Dritten Reich seine Werke beschlagnahmt und in propagandistisch geprägten Ausstellungen als „artfremd“ dem Pöbel (und nichts anderes war das Volk, was seinerzeit solche Ausstellungen besuchte!) dargeboten wurden. Dix hatte kaum Bezug zu Bergen, anfänglich mochte er sie überhaupt nicht. Nach und nach wandelt sich aber sein Verhältnis zu den Landschaften der Schweiz, er beginnt, die Ansichten für seine Ausdrucksweisen und Interpretationen der politischen Lage zu nutzen. Die im Bündner Kunstmuseum Chur gezeigten Werke sind nicht „einfach“ Landschaftsmalereien, sie sind Sinnbild für die Stimmung in Europa kurz vor Ausbruch jenes zweiten grossen Krieges. Die Kälte und die Gnadenlosigkeit der Berge beschreiben die gesellschaftliche und politische Stimmung jener Zeit durch die Augen von Otto Dix. Obwohl auch diese Werke eine gewisse Form von schonungsloser Darstellung der damaligen Zeit sind, so sind sie – im Rahmen meiner alles andere als allgemein gültigen eigenen Wertewelt – ausgesprochen schöne und ansehnliche Werke! Es sind nicht viele Werke, die in Chur gezeigt werden, besonders interessant aber sind die Kombinationen einiger Skizzen und Bilder, die in dieser Form so vorher noch nie vereint gezeigt wurden. So findet sich beispielsweise in einem Raum eine dreistufige Entstehungsgeschichte zu Einem Bild: Zunächst eine schnell hin gekritzelte Tintengraphik, dann eine feiner ausgearbeitete Silberstift-Graphik und schliesslich das fertige Bild in Farbe. Solche Kombinationen geben einen ausgesprochen tiefen Einblick in die Entstehung eines Bildes! Und wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich sofort alle Skizzen und farbigen Bilder mitgenommen, auch wenn sie – ebenso im Rahmen meiner alles andere als allgemein gültigen eigenen Wertewelt – der derzeitige gesellschaftliche und politische Situation meines Heimatlandes Deutschland kaum besser beschreiben könnten.
Der etwas eigenwillig konzipierte Gebäudekomplex des Bündner Kunstmuseum Chur beherrbergt derzeit aber nicht nur die Werke von Dix, sondern auch einige von Ernst Ludwig Kirchner, einem Zeitgenossen von Dix, und natürlich Werke aus der Sammlung jenes Museums, die „grossen“ der Schweizer Kunst mit Namen „Giacometti„, „Segantini“ und natürlich „Hodler„. Im „Gesamtpaket“ erhält der Besucher derzeit einen eindrücklichen Querschnitt über das Schaffen einiger namhafter Künstler zwischen den beiden Weltkriegen, deren Berührungs- und Verbindungspunkt seinerzeit die Schweiz war. Mit Besuch dieser Ausstellung schloss sich für mich persönlich ein Kreis, ein Kreis zwischen meinem Vater, den namhaften Künstlern jener Zeit und mir selbst. Mein Vater mochte Ernst Ludwig Kirchner sehr, ich hingegen kann bis zum heutigen Tage nur wenig mit ihm anfangen. Berührungspunkt war wohl das Werk von Otto Dix, den er mir zwar erklärte, wohl aber nicht so sehr mochte, wie ich. Irgendwie hat er wohl bereits 1981 geahnt, dass sich mein Interesse an Kunst und der politischen Entwicklung Deutschlands auf einem anderen Niveau bewegen würde, als er (und wahrscheinlich auch viele andere Menschen nach ihm…) vermutet hatten. Die meines Erachtens ausgesprochen sehenswerte Ausstellung „Otto Dix und die Schweiz“ ist noch bis zum 27.10.2024 im Bündner Kunstmuseum Chur zu sehen.
